Historie der Papierfabrik
Als am 1. Juli 1838 in Hohenofen bei Neustadt (Dosse) die Papierfabrikation aufgenommen wurde, begann das „zweite Leben” dieses Industriestandortes. Bevor hier Papier hergestellt wurde, hatte das Werk bereits eine 175-jährige Geschichte als Hüttenwerk zur Eisen- und Silbergewinnung hinter sich. 1663 ließ der Prinz v. Hessen-Homburg (*1633, †1708), der das Amt Neustadt und seine Ländereien 1662 erwarb, ein so genanntes „Seigerhüttenwerk“ (seigen = ausschmelzen) in Hohenofen errichten, das zur Verhüttung des hier vorkommenden Raseneisensteins dienen sollte. Die Vorkommen konnten in der Umgebung im Tagebau gewonnen werden, zur Schmelze wurden sie zum „Hohen Ofen“ gebracht.
Weil ein Hochofen ein starkes Gebläse benötigt und dafür Wasserkraft eingesetzt werden musste, ließ der Prinz von Hessen-Homburg kurzerhand einen Kanal von der Dosse bei Neustadt bis zum Bültgraben bei Großderschau ziehen, der damit zum Hauptlauf des Flusses wurde. So bot sich gleichzeitig die Möglichkeit, das gewonnene Roheisen über Dosse und Havel nach Berlin zu verschiffen und es den Eisengießereien zur Weiterverarbeitung zu liefern.
Etwa Mitte des 18. Jahrhunderts waren die Vorkommen erschöpft und die Hütte wurde zur Silberschmelze umfunktioniert. Das Silbererz kam aus den königlichen Silbergruben bei Mansfeld und Rotenburg per Schiff nach Hohenofen. Der Betrieb musste Anfang 1833 eingestellt werden und die etwa 500 Einwohner von Hohenofen sahen einer ungewissen Zukunft entgegen. 1834 wurde das Werk an die „Königliche Seehandlung Berlin" verkauft, die es bis 1838 zu einer Papierfabrik umbauen ließ und schließlich an die „Patentpapierfabrik Berlin" gegen eine jährliche Pacht von 9.500 Reichstalern betriebsfertig verpachtete.
Die Voraussetzungen für die Papierherstellung im industriellen Maßstab waren zu Beginn des 19. Jahrhunderts geschaffen worden: 1799 stellte der Franzose Louis-Nicolas Robert seine Erfindung einer mit Wasserkraft betriebenen Papiermaschine mit endlosem Sieb vor, die in Frankreich von den Gebrüdern Fourdrinier und in England von dem genialen Konstrukteur Bryan Donkin weiterentwickelt wurde. Mit dieser Maschine war es nun erstmals möglich, eine beliebig lange Papierbahn zu erzeugen und damit Papier kostengünstiger und schneller zu produzieren. Diese Maschinen hatten bereits alle wesentlichen Elemente heutiger moderner Papiermaschinen: Stoffauflauf, Sieb-, Pressen- und Trockenpartie, Glättwerk und Aufrollung. Die Rundsiebmaschine, die in Hohenofen 1837/38 von englischen Mechanikern aufgestellt wurde, stammte von eben jener Firma Donkin & Co.
1839 waren bereits wieder 90 Beschäftigte im Werk, größtenteils Frauen, die eine Fülle von Papieren herstellten: Zeichen-, Schreib-, Seiden-, Tapetenpapiere gehörten zum Sortiment. Die Papiere gingen vorrangig nach Berlin, als Transportmittel dienten Kähne, später wurden auch Pferdefuhrwerke eingesetzt. Im Gegenzug wurden Textillumpen, Hauptbestandteil der Papierherstellung zu jener Zeit, nach Hohenofen geliefert.
Die wirtschaftlichen Verhältnisse der Arbeiter- und Tagelöhnerfamilien jener Zeit wurden fast ausschließlich durch den wirtschaftlichen Erfolg des Hüttenwerks, später der Papierfabrik, bestimmt. Führte etwa die Dosse Niedrigwasser, so stand das Gebläse für den Hochofen still, späterhin konnte die Papierfabrik ihre Maschinen nicht betreiben. Dann entfielen Anstellung und der ohnehin kärgliche Lohn. Erst 1849 wurde eine Art sozialer Mindestsicherung für die Arbeiterschaft eingeführt: Als Auswirkung der Unruhen des Vormärz 1848 wurde von den Aktionären der Fabrik eine Pensionskasse für die männlichen Arbeiter eingerichtet.
Nach 1850 wechselten die Eigentümer der Fabrik häufig, so gehörte das Werk u. a. gegen Ende des 19. Jahrhunderts dem Papierfabrikanten Woge aus Alfeld, der die alte Donkin-Ma-schine durch eine mit 180 cm Rollenbreite ersetzte und die Erzeugung von Feinpapieren voran trieb. 1953 schließlich ging die Fabrik als Zweigwerk der VEB Feinpapierfabriken Neu Kaliß in Volkseigentum über.
1992 musste das Werk schließen, nachdem zuvor noch ein Versuch gemacht wurde, in der Zellstoffaufbereitung Fuß zu fassen. 140 Beschäftigte wurden entlassen, die Treuhand schickte einen Liquidator und das Leben stand still in Hohenofen.
Der Kieler Papierfabrikant Rutsch, der das Werk 1994 von der Treuhand pachtete und mit Teilen seines Maschinenparks nach Hohenofen kam, wollte in Hohenofen ein Papiermuseum errichten und mit der Aufbereitung von Papieren zweiter Wahl Geld verdienen. Die Produktion wurde allerdings nie aufgenommen und über die Jahre versank das Gelände allmählich hinter einem Vorhang aus Resignation, stiller Wut und schließlich Desinteresse. Im Dezember 2002 wurde die Papierfabrik durch die TLG Berlin-Brandenburg mbH an einen privaten Käufer versteigert.
Um sie vor der Ausschlachtung durch Schrotthändler zu bewahren, kaufte ein Privatmann aus dem Havelland im stillen Einvernehmen mit örtlichen Amtsträgern die Papierfabrik und verpachtete sie im April 2003 auf 25 Jahre pachtzinsfrei an den Verein „Patent-Papierfabrik Hohenofen e.V.“.